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Vier Frauen über Sexismus in Südkorea

Frances Cha erzählt in ihrem Debütroman „If I had your face“ die Geschichte von vier Frauen in Südkorea. Ara arbeitet in einem Friseursalon und hat ihre Stimme verloren. Kyuri arbeitet in einem Room-Salon. Wonna wuchs bei ihrer Grossmutter auf und ist verheiratet mit ihrem Mann, welchen sie nur geheiratet hat, weil er keine Mutter mehr hat. Miho ist Künstlerin. Sie ist im Waisenhaus aufgewachsen und war dank einem Kunststipendium in New York, wo sie ihren Freund kennengelernt hat.

Die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden am Beispiel von Miho und ihrem Freund aufgezeigt. Dieser ist ein sogenannter Chaebol-Sohn, also der Sohn einer vermögenden Familie. In New York rutscht Miho in das extravagante Leben der Chaebol-Studierenden hinein. Doch sie gehört nie ganz dazu. Dort kennen sich alle schon seit der Kindheit von den internationalen Schulen in Korea oder aus dem Internat, während sie eine kleine Schule auf dem Land besuchte. Nur schon bei den Essgewohnheiten merkt man die Unterschiede. Miho ist sich aus ihrer Kindheit nicht an Meeresfrüchte oder andere Spezialitäten der Reichen gewöhnt und möchte das Geld ihrer Freunde weder ausnutzen noch mag sie das Essen.

„Seltsamerweise werden meine Aversionen nur schlimmer, obwohl ich inzwischen seit Jahren mit diesen kultivierten Gaumen zusammen speise. Ich könnte jeden Tag Ramen und Tteokbokki und Sundae essen. Oder gar nichts. Ich bin auch ohne Essen glücklich“

Hätte ich dein Gesicht von Frances Cha

Den Unterschied kann man sich bei Ara auch sehr gut visuell vorstellen. Ara’s Familie lebt in einem kleinen Betonklotz artigen Häuschen auf dem riesigen traditionellen Grundstück ihrer Angestellten.

Auch die Position der Frau in Südkorea wird oft behandelt.  Sowohl die Männer als auch andere Frauen schauen auf die Frauen herab.

„Frauen glotzen bei ihren seltenen Besuchen meistens wie die Fische und verurteilen uns. Man kann sie förmlich denken sehen: »Ich würde mich für Geld niemals so kompromittieren. Vermutlich machen die das doch bloß für Handtaschen.«“

Ich weiß nicht, wer schlimmer ist, die oder die Männer. War nur ein Scherz, die Männer sind immer schlimmer.

Hätte ich dein Gesicht

Entweder gehört man zu den Frauen, die aus der Sicht der Gesellschaft unmoralisch sind oder man gehört zu denen die naiv sind oder sich naiv stellen und nicht hinterfragen, was ihre Ehemänner spät abends machen. So entsteht ein stetiges Werten und besonders Abwerten untereinander. Besonders hier finde ich die verschiedenen Perspektiven des Texts spannend, da man auch unter den einzelnen Frauen erkennt, dass sie in gewissen Aspekten selbst auf eine der anderen Frauen herabsehen.

Die oben genannten Unterschiede zwischen Arm und Reich und die Position der Frau wurden von vielen Seiten beleuchtet, doch die Breite an Themen war noch viel grösser und ich hätte einen stärkeren Fokus auf weniger Themen bevorzugt. Einige Szenen und die damit einhergehenden Themen liessen sich nicht sehr gut in den Rest der Geschichte einbetten, waren aber nicht weniger spannend. Vier Storylines auf 240 Seiten empfand ich als etwas eng. Besonders Wonna, welche zu Beginn kaum einen Zusammenhang mit den anderen Frauen hatte neben dem Fakt, dass sie im gleichen Gebäude wohnte, wirkte etwas überflüssig. Ich fand auch ihr Geschichte faszinierend doch andere besonders die von Kyuri hat mich mehr gepackt. Ich mochte jedoch Cha’s Entscheidung die vier Geschichten auf verschiedene Kapitel aufzuteilen und aus der Erzählerperspektive der einzelnen Frauen zu erzählen. Das führte einerseits zu mehr Abwechslung und andererseits erkannte man so die eigenen Ansichten und Gedanken der vier Frauen. Auch ihre Interaktionen mit den anderen Frauen wurden faszinierender, da man sich überlegen konnte wie die anderen diese Situation wahrnehmen würden. Besonders gegen Ende haben sich die einzelnen Storylines ineinander verwoben.

Insgesamt fand ich den Roman unglaublich packend und abwechslungsreich mit vielen Figuren und Themen, die man ruhig noch genauer behandeln könnte. Die Breite an Themen ist faszinierend und bietet einen guten Einblick in das Leben von vier Frauen in Südkorea.

Frances Cha: Hätte ich dein Gesicht. Roman. Aus dem Englischen von Nicole Seifert. Unionsverlag, 2022. 288 S., ca. 19 Fr.

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